Zum sechsten Mal fand nun vom 27.-29. Oktober 2023 die Marktgarten & Mikrofarming Konferenz statt. Circa 120 Teilnehmer fanden ihren Weg zur Gemeinschaft Schloss Tempelhof. Dort tagte die vom „Schloss Tempelhof e.V.“ in Kooperation mit dem „Kolibri - Netzwerk für Marktgärten und Mikrofarmen“ und der „Stiftung Ökologie & Landbau (SÖL)“ organisierte Konferenz.
Vor dem Start der Konferenz gab es zu Beginn die Möglichkeit an einer Führung über den Marktgarten des Tempelhofes teilzunehmen. Erste spannende Einblicke konnten gewonnen werden und ein erster Austausch zu ganz praktischen Themen wie der Folieneinsatz oder die Gestaltung der Wege zwischen den Beeten hat stattgefunden.
Danach startete die Konferenz in der großen Runde mit einem gemeinsamen Kennenlernen. Hier gab es einen Überblick darüber, wie groß oder klein die Betriebe der Teilnehmenden sind, welche Erfahrungen sie bereits zu der Thematik haben oder aus welcher deutschsprachigen Region sie kommen. Im weiteren Verlauf wurde der Austausch mit den Teilnehmenden gestärkt, sodass ein Raum zum Vernetzen geschaffen wurde.
Nach dem Abendessen erwartete die Teilnehmer noch ein erster Keynote-Vortrag.
„Mach mal schneller!“, „Jede Sekunde zählt!“ sind Phrasen, welche jeder von uns kennt. Wobei Schnelligkeit nicht gleich Schnelligkeit ist, wie wir von der selbstständigen Beraterin für Arbeitswirtschaft im Gemüsebau Renate Spraul am Abend noch erfuhren. Es gilt hierbei Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten. Die gleiche Arbeit nur schneller zu erledigen, erzeugt beim Mitarbeiter mehr Stress, als es dem Betrieb nützlich ist. Arbeitstechnische Maßnahmen (z. B. Verkürzung der Greifwege), um eine Zeitersparnis während der Arbeitsvorgänge zu erzielen, wurden den Teilnehmenden vor Augen geführt, die diese dankend annahmen. Frau Spraul gab zu weiteren Themen, wie ergonomisches Arbeiten (z. B. richtige und schonende Körperhaltung bei der Ernte) oder Kommunikation im Arbeitsteam, wichtige und wertvolle Ratschläge, die im weiteren Tagungsverlauf bleibenden Eindruck bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern hinterlassen haben.
Am nächsten Morgen warteten dann unter der Überschrift „Farben des Mikrofarmings“ vier spannende Vorträge. Den Beginn machte Johannes Walzer von „Lebendiger Landbau“. Er berichtete über seinen Weg von einer Mikrofarm zu einem landwirtschaftlichen Betrieb. Ein resilientes und regeneratives System stehen bei ihm im Fokus und zeigt sich unter anderem durch den Mulcheinsatz in den Beet-Kulturen, einer ganzjährigen Dauerbegrünung, der Etablierung eines Agroforstsystems mit Hühnerhaltung und einer Kurzumtriebsplantage (KUP) aus Pappeln.
Nach ihm stellte der Gründer der Firma „Keimgrün“ die Möglichkeiten vor, mit dem Anbau von Microgreens im kleinen Rahmen einen Start in das Feld des Mikrofarming zu wagen. Auch für den Marktgarten stellt der Anbau von Microgreens eine spannende Ergänzung dar. Durch die Option, die in Trays angepflanzten Microgreens, in Regalen zu stapeln (vertical farming), kann eine sehr platzsparende Produktion aufgebaut werden. In einem Workshop, der ebenfalls von Christian Zinke am Nachmittag betreut wurde, wurden den Interessierten vertiefende Kenntnisse zum Thema Microgreens vermittelt.
Nach einer kurzen Pause ging es weiter mit Birte und Thomas Weniger von „Die Gemüsemanufaktur“. Sie erzählten von der Idee und der Gründung ihres Marktgartens. Dabei haben sich die beiden Quereinsteiger von dem Film „Tomorrow – die Welt ist voller Lösungen“ von Cyril Dion und Mélanie Laurent inspirieren lassen. Ihre Erfahrungen bei der Gründung teilten Sie zum einen in diesem Vortrag mit den Teilnehmenden und zum anderen in dem Workshop, der von beiden am Nachmittag betreut wurde.
Den Abschluss des Tagespunktes „Farben des Mikrofarmings“ machte Tom Mühlbauer von „Der Feldgarten“. Er faszinierte die Teilnehmenden mit seiner Solawi mit einem Selbsterntekonzept, bei welchem die Mitglieder von März bis November ganztägig und zu jeder Uhrzeit ihr Gemüse selbst ernten können. In den Wintermonaten wird für die Mitglieder geerntet bzw. wird diese Zeit als Urlaubs- und Planungsphase genutzt. Neben dem Selbsterntekonzept beeindruckte Tom Mühlbauer auch mit der Ästhetik des Marktgartens, die dazu beiträgt, dass die Mitglieder eine emotionale Bindung zum Feldgarten erschaffen.
Nach dem Mittagessen, bei welchem immer frisches Gemüse direkt aus dem Marktgarten verarbeitet wurde,
warteten die parallelen Workshops auf die Teilnehmenden. Im ersten Block konnte man mit Christian Zinke noch einmal vertiefend in die
Thematik der Microgreens eintauchen.
Robert Franz und Christopher Bröcker vom EIP Projekt Open Organic Farm sprachen in ihrem Workshop über den Einsatz von KI und
Robotik in der Landwirtschaft und holten sich gleichzeitig Input von den Teilnehmenden, um die Erfahrungen aus der Praxis
umzusetzen.
Sebastian Heilmann vom Tempelhof gab einen Einblick in das Bodenleben. Mit seinem Vortrag über das Bodennahrungsnetz bot er einen
ersten Einblick über die Wirkmechanismen im Boden, das Thema „Fressen und gefressen werden“ und wie wichtig Wurzeln mit
ihren Wurzelexsudaten für einen intakten Boden und die darin lebenden Organismen sind.
Im Rahmen des Punktes „Open Space“ gab es auch die Möglichkeit noch Raum für Themen zu bieten, die aus den Reihen der Teilnehmenden kommen. So gab es einen weiteren Workshop zu der Thematik Kommunikation und Spannungen. Das rege Interesse an diesem Workshop zeigte auch das Potential dieser Inhalte für die nächste Konferenz.
Nach einer kurzen Kaffeepause ging es mit dem zweiten Workshop-Block weiter. Birte und Thomas Weniger
vertieften die Thematik rund um die Gründung eines Marktgartens.
Vivian Glover leistete in ihrem Workshop „Richtig rechnen als Betriebsleiter im Marktgarten“ einen sehr wertvollen Beitrag, der
den Teilnehmenden einen realistischen Blick auf die Betriebswirtschaft eines Marktgartens gab.
In seinem Workshop stand Tom Mühlbauer den Interessierten zum Thema Selbsterntekonzept Rede und Antwort. Hierbei wurde alle Themenfelder, wie Versicherung beim Selbsternten, bedarfsgerechte Anbauplanung und kollegialer Zusammenhalt zwischen den Mitgliedern, behandelt und besprochen.
Im Open Space versammelte sich eine kleine Gruppe von ca. fünf Teilnehmenden und tauschten sich abseits vom Gemüsebau rund um die Thematik Beerensträucher, Stauden und Dauerkulturen aus.
Nach dem Abendessen wurde von den Organisatoren ein buntes Abendprogramm geboten.
Bevor am letzten Tag bei der „gemeinsamen Ernte“ all die Erkenntnisse der Konferenz von den Teilnehmenden zusammengetragen wurden, fand eine sehr lebendige Podiumsdiskussion statt. Diese stand unter dem Thema „Ein gutes Leben in der Marktgärtnerei – Herausforderungen und Chancen“. Tom Mühlbauer, Vivian Glover, Johannes Walzer und Sebastian Girmann beantworteten ausführlich, sowohl die Fragen der Moderation, als auch die Fragen aus dem Publikum. Und auch die Teilnehmenden gaben ihre Erfahrungen in der Diskussion zum Besten. Eines der großen Themen der Podiumsdiskussion war das Krisenmanagement, bei welchem sich sehr offen über die Erfahrungen und Bewältigungsstrategien ausgetauscht wurde. Insgesamt zeigte sich die Konferenz als ein gewinnbringender Ort zum Austausch und Netzwerken für alle Beteiligten und brachte hervor, dass das gelebte kollegiale Miteinander und das Verfolgen eines gemeinsamen Zieles auch in schweren Zeiten Kraft und Halt für jeden individuellen Weg der Teilnehmenden zu bieten hat.